1. Bedeutung der Eierzeugung
Aktueller Stand und weitere Herausforderungen (W. Brade, Th. Janning)
1. Bedeutung der Eiererzeugung: Aktueller Stand und weitere Herausforderungen
Im Vergleich zur Rinder- und Schweinehaltung weist die Legehennenhaltung mit meist direkt angeschlossener Eiervermarktung einige Besonderheiten auf, die sich wie folgt charakterisieren lassen:
die Erzeugung von Eiern liegt überwiegend in der Hand von spezialisierten, -häufig gewerblichen Unternehmen;
hoher Organisationsgrad mit klarer Strukturierung in Form von Basiszucht, -Vermehrung und Eiererzeugung mit speziellen Zuchtlinien;
die Basiszucht für diesen hoch entwickelten Produktionsbereich liegt in der Hand weltweit operierender Zuchtfirmen (vgl. auch Kapitel 3);
die Haltungsform ist wesentliches Unterscheidungsmerkmal in Erzeugung und Vermarktung
die EU-Hennenhaltungsrichtlinie und deren nationale Umsetzung mit dem Verbot der herkömmlichen Käfighaltung stellt die Eierwirtschaft vor eine besondere Herausforderung.
Die Geflügelwirtschaft basiert bekanntermaßen auf der Verwendung von Getreide als Hauptfuttermittel. Obwohl das Geflügel damit scheinbar als Nahrungskonkurrent zum Menschen auftritt, ermöglichen oft nur diese Tierarten - selbst unter extremen Ernährungsbedingungen in den großen, urbanen Zentren der Entwicklungsländer - die Erzeugung notwendiger Mengen von Lebensmittel tierischer Herkunft vor Ort. Die bemerkenswerte Effizienz der Eiererzeugung vergleichsweise gegenüber der Rindfleisch- oder Schweinefleischerzeugung ist hierbei zusätzlich zu beachten (vgl. Abschnitt 5.3).
Der deutsche und internationale Eiermarkt:
In 2007 reduzierte sich der Jahresdurchschnittsbestand an Legehennen in Deutschland, nach Angaben der ZMP von 42,4 (2006) auf 41,4 Mio.
Tiere. Aufgrund einer gestiegenen Legeleistung reduzierte sich die Gesamteierproduktion gegenüber 2006 aber nur um 0,2 % auf 12,671 Mrd. Stück.
Die durchschnittliche Legeleistung erreichte mit 285 Eiern pro Henne und Jahr einen neuen Höchstwert. In 2007 wurden in Deutschland mit 17,3 Mrd. Stück etwas mehr Eier (plus 0,5 %) verbraucht als im Jahr zuvor. Der Selbstversorgungsgrad fiel auf 67,5 % (vgl. Tab. 1.1).
Infolge veränderter Verzehrsgewohnheiten hat der Eierkonsum in den letzten 30 Jahren beträchtlich abgenommen. Zwischenzeitlich ist eine deutliche Stabilisierung des Eierverzehrs auf niedrigerem Niveau (ca. 210 Eier/pro Person/Jahr) eingetreten. Das Ei mit seiner hohen biologischen Wertigkeit und der Vielfalt der Verwendung ist ein beliebtes Nahrungsmittel. Wichtig war sicher auch die Versachlichung und Beruhigung der Cholesterindiskussion mit der Feststellung, dass Eier eben nicht die in früheren Jahren betitelten „Cholesterinbomben“ sind. Ein weiterer Zuwachs des Eierverbrauchs kann erwartet werden.
Tab. 1.1: Eierkonsum in Deutschland
Quelle: ZMP-Berichte
Zwei Aspekte bleiben hier anzumerken:
die Bevorzugung des Frühstück-Eies aus alternativen Haltungen, verbunden mit der Bereitschaft, dafür einen höheren Preis zu akzeptieren; hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Verbraucher zunehmend aufgrund des ausschließlichen Angebots von Eiern aus Boden-, Freilandhaltung und ökologischer Erzeugung in seiner Wahlmöglichkeit eingeschränkt ist; die Verwendung von Eiern aus Käfighaltung unter Preisgesichtspunkten in der Eiprodukteindustrie (Nudeln, Backwaren etc.).
Auf EU-Ebene ist die Versorgungsbilanz ausgeglichen (Tab. 1.2).
Tab. 1.2 Versorgungsbilanz Eier der EU
Anmerkung: Zum Teil vorläufig bzw. geschätzt; Quelle: ZMP-Bericht (2008)
Tab. 1.3: Eierverbrauch je Einwohner und Jahr (in kg/Kopf) in ausgewählten Ländern
Anmerkung: Bei EU-Ländern z. T. erhebliche Unterschiede zwischen den nationalen Angaben und EUROSTAT. – Teilweise vorläufig bzw. geschätzt. – Durch häufige Veränderungen der nationalen Berechnungsfaktoren eingeschränkte Vergleichbarkeit innerhalb der Zeitreihen. – ¹ Ab 2007 EU-27; Quelle: ZMP-BERICHT (2008); ² keine Angaben
Weiterentwicklung der Haltungsformen
Die Umsetzung der unter deutscher Ratspräsidentschaft verabschiedeten „Hennenhaltungsrichtlinie“ in 1999 hat vor allem in Deutschland zu einer sehr intensiven politischen und öffentlichen Diskussion geführt. Dabei wurde leider oftmals die notwendige Sachlichkeit vermisst. Erst mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung wurde die „Kleingruppenhaltung“ als neben der Boden-, Freilandhaltung und ökologischen Erzeugung gleichberechtigte Haltungsform zugelassen. Die Kleingruppenhaltung basiert auf fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen und praktischen Erprobungen (Abb. 1.1) unter Berücksichtigung der Aspekte des Tierverhaltens, der Tiergesundheit, des Verbraucher- und Umweltschutz sowie der Arbeitswirtschaft. Die Kleingruppenhaltung erfüllt aus Sicht der Autoren damit auch das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz.
An dieser Stelle bleibt zu vermerken, dass keine der derzeit vorhandenen Haltungsformen (Freiland-, Boden- und Kleingruppenhaltung) völlig ohne Nachteile sind. Prinzipiell gilt: je offener das Haltungssystem gestaltet wird, desto höher ist auch das gesundheitliche Risiko für die Tiere. Gleichzeitig wächst das Risiko für notwendige therapeutische Maßnahmen und damit das Risiko für Arzneimittelrückstände im Ei (vgl. BRADE, 2000a, b u.a.).
Abb. 1.1: Entwicklung der Haltungssysteme für Legehennen in Deutschland ab 1950 (in Anlehnung an BRADE, 1999 und 2000a)
Die Erzeugungskosten in der Kleingruppenhaltung dürften unter denen der Bodenhaltung liegen, so dass künftig Handel und Verbraucher ein preisgünstiges Ei aus einer weiteren zugelassenen und tiergerechten Haltungsform angeboten werden kann.
Rasanter Anstieg der Futterkosten
In allen Bereichen der Produktion von Lebensmitteln tierischen Ursprungs machen die Futterkosten den höchsten Anteil an den Gesamtkosten aus. Der aktuell starke Anstieg der Agrarrohstoffpreise ist auf ein Zusammentreffen verschiedener Faktoren zurückzuführen.
(vgl. NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT, VERBRAUCHERSCHUTZ UND LANDESENTWICKLUNG, 2008):
wachsende Kaufkraft und Anstieg der Nachfrage nach veredelten Produkten (Fleisch, Milchprodukte, Eier) insbesondere im asiatischen Raum (China, Indien);
weltweites Bevölkerungswachstum (jährlich rd. 80 Mio. Menschen);
starker Anstieg der Rohölpreise und damit auch steigende Produktionskosten in der Landwirtschaft (z. B. Diesel, Strom, Dünger);
durch steigende Energiepreise höhere Wettbewerbsfähigkeit von Agrarrohstoffen zur Energiegewinnung;
begrenzte landwirtschaftliche Nutzflächen, teilweise abnehmende Ertragssteigerungen und damit nur langsam anwachsende weltweite Nahrungsmittelproduktion;
andauernder Nutzflächenverlust für Siedlungs- und Infrastrukturzwecke sowie für Kompensationsmaßnahmen nach Naturschutzrecht.
Wenn die Getreide- und Sojapreise am Weltmarkt steigen, sind auch die Züchter wieder – in Analogie zu früheren Produktionsbedingungen (vor 1980) - stärker gefordert, neben der Maximierung der Legeleistung die zugehörigen Futterkosten je verkaufsfähiges Ei bzw. je kg Eimasse zu beachten (BRADE, 1982, u.a.).
Beschäftigt man sich mit dem Futteraufwand bzw. der Futterverwertung, muss man zwischen Erhaltungs- und Leistungsbedarf unterscheiden (vgl. Kapitel 5). Aus züchterischer Sicht bieten beide Komponenten Ansätze für eine gezielte Einflussnahme (vgl. Abb. 1.2):
Einbeziehung der Körpermasse der Tiere in die genetisch-züchterische Bewertung (= Optimierung der Körpermasse zwecks Reduzierung des Erhaltungsbedarfs bei hoher Leistung) gezielte Selektion auf Legeleistung, Anteil verkaufsfähiger Eier und Tiergesundheit.
Abb. 1.2: Korrelative Beziehungen (r) zwischen verschiedenen Merkmalen in der Legehybridzüchtung. Datenmaterial: 97 väterliche Nachkommengruppen mit je mehr als 10 F1-Töchtern (Anm.: LT = Lebenstag, KM = Körpermasse). Quelle: BRADE, 1993
Eiqualität
Der Begriff der Qualität ist nicht mit einem einzigen Kriterium messbar und eindeutig zu definieren: Er muss als Gesamtheit einzelner Faktoren gesehen werden, deren Wertschätzungen seitens der Produzenten bzw. der Verbraucher häufig auch noch sehr unterschiedlich sind.
Nicht zu bezweifeln ist, dass das Hühnerei zu den biologisch hochwertigen Lebensmitteln mit sehr guter Verdaulichkeit und hohem Nährwert zählt. Als Kriterien, die für den Verbraucher wichtig sind, können genannt werden (BRADE, 2000a):
- Gesundheitswert (Nährwert, Sicherheit)
- ökonomischer Wert (Preis, Größe)
- Genusswert (Frische, Genuss)
- Eignungswert (Convenience, Verpackung)
- psychologischer Wert (ethisch-moralischer Wert, Prestige)
- ökologischer Wert (Region)
- soziokultureller Wert.
Die Rangfolge der Wichtigkeit der oben genannten Kriterien ist für verschiedene Verbrauchergruppen differenziert. Auch gibt es nicht den „durchschnittlichen“ Verbraucher,der immer wieder die Statistik „prägt“. Verbraucher zeigen zeit- und situationsgebunden unterschiedliche Konsumstile (BRADE, 2000a) Steigender Wohlstand verändert die Präferenz-Strukturen. Die Sicherstellung einer permanent hohen Qualität von Schaleneiern erfordert - neben einer anspruchsvollen Genetik der Tiere, dem Management und Haltungsverfahren - eine ordnungsgemäße Behandlung der erzeugten Eier. Zur Behandlung der Eier zählt man beispielsweise die Verpackung, den Transport und die Lagerung (vgl. Abb. 1.3).
Abb. 1.3: Prozess- und Produktqualität in der Eiererzeugung Quelle: BRADE, 1999
Das europäische Hygienerecht schreibt vor, dass Hühnereier innerhalb von höchstens 21 Tagen nach dem Legen an den Verbraucher abzugeben sind (vgl. auch Kapitel 2.3). Eier müssen im Erzeugerbetrieb bis hin zum Verkauf an den Endverbraucher sauber, trocken und frei von Fremdgeruch gehalten sowie wirksam vor Stößen und vor Sonneneinstrahlung geschützt werden. Über die EU-Vorgaben hinausgehend, ist in Deutschland vorgeschrieben, Hühnereier ab dem 18. Tag nach dem Legen bei einer Temperatur von + 5 °C bis + 8 °C zu lagern oder zu befördern. Die Mindesthaltbarkeitsdauer beträgt maximal 28 Tage nach dem Legen. Auf der Verpackung sind u.a. folgende Angaben vorgeschrieben:
- Güte- und Gewichtsklasse,
- Art der Legehennenhaltung,
- die Mindesthaltbarkeitsdauer (MHD),
- Verbraucherhinweis: Eier nach Kauf bei Kühlschranktemperatur aufbewahren,
- Kennnummer der Packstelle.
Darüber hinaus sind weitere freiwillige Angaben auf Packungen und Eiern zulässig,
sofern diese nicht geeignet sind den Verbraucher irrezuführen.